Stimmstörung bei Erwachsenen

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Die menschliche Stimme

Jeder Mensch hat einen individuellen Stimmklang – so individuell, dass Aufnahmen der Stimme zur Überführung von Täter*innen genutzt werden können.
Wir vermitteln mit der Stimme nicht nur Inhalte einer Aussage, sondern auch Emotionen.
So hört man beispielsweise meist sofort, ob unser Gegenüber gerade glücklich oder traurig ist – selbst am Telefon, wenn andere Informationen wie Mimik oder Körperhaltung fehlen.

Für gewöhnlich nutzen wir unsere Stimme im Alltag, ohne großartig darüber nachzudenken – sie ist einfach da. Dabei brauchen wir für jeden Ton den wir von uns geben ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Atmung, Stimmlippen und anderen Muskeln stattfindet.

Häufig bemerken wir erst wenn dieses Zusammenspiel gestört ist, wie essentiell eine
funktionierende Stimme im Alltag und für unser Wohlbefinden eigentlich ist. Eine Stimmstörung kann psychische Probleme und finanzielle Einbußen mit sich bringen.

Helfen kann hierbei eine professionelle Stimmtherapie.
Im Folgenden klären wir darüber auf, wie Stimme entsteht, was eine Stimmstörung ist, wie sie sich bemerkbar macht und wie sie therapiert wird. Zudem geben wir Tipps, wie eine Stimmstörung verhindert werden kann.

Wie entsteht Stimme?

Die Stimmlippen sitzen in unserem Kehlkopf, welcher sich in unserem Hals befindet.
Am einfachsten lässt sich die Stimmgebung mit dem Power, Source, Filter Modell erklären.

Wie zu sehen ist, umfasst „Power“ den Bereich der Lungen und der Luftröhre. Hier beginnt die Stimmproduktion, denn im Grunde ist Stimme nichts anderes als schwingende Luft-Schallwellen.

Wir brauchen also Atemluft, um Stimme produzieren zu können. Durch ein Absenken des Zwerchfells, eine große durchgängige Muskelplatte die den Brustraum vom Bauchraum trennt, strömt Luft in unsere Lungen.
Um Stimme zu produzieren, lassen wir diese Luft gegen unsere geschlossenen Stimmlippen („Source“) strömen. Die Stimmlippen sind zwei kleine Muskeln im Kehlkopf, die mit einer Schleimschicht und Schleimhaut überzogen sind.
Der Luftdruck unterhalb der Stimmlippen versetzt diese nun in Schwingung wodurch Schallwellen entstehen.

Das Geräusch was hier erzeugt wird, klingt jedoch nicht annähernd wie die Stimme die unseren Körper verlässt: Dieser gewohnte Stimmklang wird erst in unserem Ansatzrohr („Filter“) geformt. Dieses umfasst den gesamten Bereich über den Stimmlippen (also den Rachenraum als auch die Mund- Nasenhöhle) und dient als Resonanzraum für die Schallwellen – ähnlich wie der Korpus einer Geige oder einer Gitarre.

Was ist eine Stimmstörung?

Eine Stimmstörung kann deine Stimmlage, die Lautstärke und/oder die Stimmqualität negativ beeinflussen. Dies kann entstehen, wenn die oben genannten Abläufe funktionell gestört sind und/ oder organische Veränderungen auftreten. Aus diesem Grund unterscheiden wir hauptsächlich zwischen organischen und funktionellen Stimmstörungen:

Funktionelle Stimmstörungen

Bei dieser Form der Störung ist die Ursache (hauptsächlich) funktional bedingt, d.h. die Abläufe der Stimmgebung sind gestört. Diese Ursache kann in einem oder allen der drei Bereiche Power, Source, Filter liegen. Zuviel Atemdruck oder eine verspannte Kiefermuskulatur sind nur zwei von einer Vielzahl möglicher Ursachen. Auch psychische Faktoren spielen hier häufig eine Rolle. Funktionale Störungen können sekundär auch organische Veränderungen mit sich bringen: Stimmlippenknötchen, Polypen oder Ödeme können sich bilden.

Organische Stimmstörungen

Bei dieser Form der Störung ist die Ursache (hauptsächlich) organisch bedingt, d.h. organische Veränderungen auf Stimmlippenebene lösen die Störung aus. (Die Ursache der Störung sind organische Veränderungen auf Stimmlippenebene.)
Auch hier gibt es eine Vielzahl an möglichen Ursachen: Lähmung der Stimmlippen z.B. nach einem Schlaganfall oder einer Schilddrüsenoperation, Tumore (Zysten, Papilloma, Polypen oder Krebs), Entzündungen und Ödeme z.B. verursacht durch Reflux oder Nikotinabusus gehören zu den häufigsten Ursachen. Organische Stimmstörungen können zu kompensatorischen funktionalen Mustern führen.

Um die Ursache herauszufinden und ein umfassendes Bild der Störung zu erhalten, ist also zwingend eine Spiegelung der Stimmlippen durch die HNO-Medizin oder die Phoniatrie notwendig.
Aber kein Grund zur Sorge: Diese Untersuchung ist völlig schmerzfrei und geht sehr schnell.

Was sind mögliche Symptome?

Typische Symptome können sein:

  • Heiserkeit
  • Räusperzwang
  • Kloßgefühl im Hals
  • Kratzender, krächzender oder rauer Stimmklang
  • Stimmermüdung
  • Schwacher, behauchter Stimmklang
  • Veränderungen der Stimmlage
  • Schluckbeschwerden
  • Schmerzen beim Anfassen des Halses


Die Symptome können einzeln aber auch gesammelt auftreten. Jede Stimmstörung ist so individuell wie die Stimme selbst.

Inhalte und Ziele der Therapie

Je nach Diagnose kann die Stimmtherapie als alleinige oder ergänzende Therapieform gewählt werden.
In der Stimmtherapie wird die individuelle Stimmproduktion analysiert, erklärt und Übungen ausgewählt, um die Stimme zurück in eine ausbalancierte Funktion zu führen. Ziel ist also im besten Fall die vollständige stimmliche Rehabilitation.

Die Therapie richtet sich an die individuellen Bedürfnisse der Klient*innen. Mögliche Inhalte sind:

  • Wahrnehmungsübungen
  • Stimmübungen zur Entspannung oder Kräftigung der Stimme
  • Atemübungen
  • Haltungsübungen
  • Gespräche und Reflexionen

In der Stimmtherapie geht es häufig darum, ein bestimmtes (stimmliches) Verhalten oder eine Gewohnheit zu verändern. Übung ist hier der Weg zum Ziel. Am Ende einer Therapieeinheit bei uns werden die häuslichen Übungen besprochen. Für den Erfolg einer Therapie ist es wichtig diesen Übungsplan zu befolgen.

Prävention von Stimmstörungen

Eine der einfachsten und gleichzeitig wichtigsten präventiven Maßnahmen ist es, viel zu trinken: Wie oben beschrieben umhüllt die Muskulatur der Stimmlippen eine Schleimschicht und eine Schleimhaut. Diese sind flexibler, wenn sie ausreichend Flüssigkeit bekommen. Circa 2 Liter sollten täglich getrunken werden.

Weiterhin ist es wichtig sich selbst und die Stimme vor einem stimmintensiven Einsatz
aufzuwärmen und abzukühlen. Zu einem Warming-up und Cooling-down können folgende Übungen beitragen:

  • Schultern kreisen
  • Sich strecken und recken
  • Grimassen schneiden
  • Kiefer kreisen
  • Summen und dabei leicht kauen
  • Gähnen
  • Gleittöne

Neben diesen sind besonders effektive Stimmübungen die sogenannten Semioccluded Vocaltract Exercises (SOVTE). Diese sind häufig auch Teil einer Stimmtherapie.
Hierzu gehören unter anderem:

  • Lippenflattern
  • Zungen-R
  • Mundtrompete
  • LAX VOX®
  • Die Laute w, u, ng und das stimmhafte s
  • In einen Strohhalm summen

Hierbei erhöht sich der Druck über den Stimmlippen, was zu einer Verringerung des Drucks unterhalb der Stimmlippen und somit zu einer leichteren Stimmgebung führt.
Mache diese Übungen erst auf einem Ton, anschließend mit Gleittönen (Sirene).
Ein Warming-up und Cooling-down dauert jeweils insgesamt circa 5-10 Minuten.

Foto von Mark Stoop

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